Diskussion um Gas-Embargo: Scharfe Rezession und Super-Inflation?
Seit zwei Monaten läuft der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die Hoffnungen auf ein schnelles Ende der Auseinandersetzung haben sich zerschlagen. Der Westen versucht, mit Sanktionen gegenzusteuern — doch Russland lenkt bislang nicht ein. So werden bereits weitere Strafmaßnahmen diskutiert, unter anderem ein striktes Energie-Embargo. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass Russland ohne Milliardenzahlungen für Öl und Gas aus Sorge vor einem Staatsbankrott einlenkt. Doch welche Auswirkungen hätte ein solcher Schritt für die Menschen in Deutschland und Europa?
Das Handelsblatt hat nachgerechnet und präsentiert unangenehme Zahlen: Ein Schaden von 200 Milliarden Euro würde entstehen und Deutschland geradewegs in die Rezession treiben, wenn ein Lieferstopp für russische Energie verhängt würde. Die Finanzzeitung verweist auf die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, die allesamt eine weitere Schrumpfung der deutschen Wirtschaft erwarten, wenn Europa den russischen Gashahn sperrt. Dennoch fordern gleich mehrere europäische Staaten, flankiert von einem Bündnis aus Wissenschaftlern und Prominenten, einen Lieferstoff für russisches Gas und Öl.
Die großen DAX-Konzerne sind dem Bericht des Handelsblattes zufolge bereits im Bundeskanzleramt vorstellig geworden: „Die Unternehmen beschrieben bestehende Herausforderungen angesichts hoher Energiepreise, insbesondere für die energieintensive Industrie“, hieß es nach dem Spitzentreffen zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und mehreren DAX-Vorständen in einer Mitteilung. Bislang sperrt sich die Bundesregierung gegen einen Lieferstopp aus Russland. Der Importstopp für russische Kohle ist offenbar derzeit das größte Zugeständnis, das man in Berlin mittragen möchte. Laut Handelsblatt gilt auch ein Ölembargo als verhandelbar, für die Regierung um Olaf Scholz ist russisches Gas jedoch noch unantastbar. Denn mehr als die Hälfte des Erdgases in Deutschland kommt aus Russland.
Für den Fall, dass kein russisches Gas mehr bei deutschen Verbrauchern ankommt, malen Kanzler Scholz und seine Kabinettskollegen ein düsteres Bild: Scholz höchstpersönlich wies darauf hin, dass dies zu enormen gesamtwirtschaftlichen Schäden führen würde. Und Vizekanzler Robert Habeck sieht wegen der Aussicht auf noch höhere Kosten für Energie den sozialen Frieden in Gefahr.
Dass diese Vorhersage nicht ganz unrealistisch ist, lassen Berechnungen der fünf führenden deutschen Wirtschaftsinstitute erahnen. Sie gehen davon aus, dass ein Lieferstopp die deutsche Volkswirtschaft deutlich schrumpfen ließen. Im Klartext: Dann stünde eine scharfe Rezession bevor. Das Bruttoinlandsprodukt würde um 2,2 Prozent sinken — der erwartete Schaden: 200 Milliarden Euro im Vergleich zu einer Situation, in der es kein Embargo gibt. Über 400.000 Menschen würden in Deutschland ihre Arbeit verlieren, so die Wirtschaftsforscher.
Dass diese Prognose nicht noch schlimmer ausfällt, verdankt die Bundesregierung ausgerechnet der Inflation. Denn die Teuerung sorgt dafür, dass das Verhältnis von staatlichen Schulden zur Wirtschaftskraft im Jahr 2023 auf 63,3 Prozent sinkt.
Die Bundesregierung hat unterdessen eine eigene Berechnung in Auftrag gegeben — und auch diese Zahlen bieten keinen Anlass zur Entwarnung: Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) geht davon aus, dass nur die Hälfte der entstehenden Lücke durch einen Lieferstopp von alternativen Lieferanten geschlossen werden könnte. Das BIP würde noch in diesem Jahr um sechs Prozent geringer ausfallen, was einem Schaden von 230 Milliarden Euro entspricht. Und damit nicht genug: Wenn weniger als die Hälfte der Versorgungslücke geschlossen werde, sei der Schaden nicht mehr berechenbar.
Das Handelsblatt weist in seiner Zusammenstellung der unterschiedlichen Prognosen und Argumente für und gegen einen Gas-Lieferstopp darauf hin, dass die Aussagekraft der genannten Zahlen wie bei allen ökonomischen Berechnungen eingeschränkt sei. Denn: „Eine Krise wie jene dieser Tage hat es noch nie gegeben.“ Umstritten sei zudem, inwieweit ein Lieferstopp für Gas den russischen Machthaber Wladimir Putin in Bedrängnis brächte. Es gibt nicht wenige Experten, die davon ausgehen, dass Russland die Europäer eigentlich nicht braucht, sondern sein Gas auch anderswo in der Welt zu Geld machen kann.
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