Goldpreis im Jahr der Rekorde

pro aurum Kilchberg ZH
7 min readSep 23, 2020

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Bildrechte: © pro aurum

Von Mirko Schmidt, Gründer und Geschäftsführer der pro aurum GmbH

Das Jahr 2020 kann zweifellos als Jahr der Rekorde bezeichnet werden — sowohl im Positiven (Goldpreis) als auch im Negativen (Wirtschaft). Ende Juli überwand das gelbe Edelmetall das alte Rekordhoch aus dem Jahr 2011, um in der ersten Augusthälfte deutlich über der 2.000-Dollar-Marke ein neues Allzeithoch zu markieren.

Heftigste Turbulenzen seit Jahrzehnten

Mirko Schmidt

Obwohl das Jahr noch nicht ganz vorüber ist, kann ich eines mit Fug und Recht behaupten: Während meines Berufslebens habe ich schon viele turbulente Marktphasen erlebt, aber die Geschehnisse im März dieses Jahres stellten alles bisher Erlebte in den Schatten. Coronabedingt traten nämlich massive Engpässe und Probleme bei Goldminen, Barren- und Münzherstellern sowie Logistikunternehmen auf, die es zu bewältigen gab. Zugleich musste eine förmlich explodierende Nachfrage nach physischem Gold und Silber befriedigt werden. Diverse Maßnahmen des Gesetzgebers zur Eindämmung der Corona-Krise (Stichwort „Lockdown“) führten dazu, dass pro aurum an mehreren Tagen lediglich 500 Aufträge annehmen konnte und danach bis zum nächsten Tag den Handel einstellen musste. Organisatorisch war trotz Mehrschichtbetrieb und Wochenendarbeit schlicht und einfach nicht mehr zu bewältigen. Damit erwies sich der März mit Abstand als turbulentester Monat in unserer fast 17-jährigen Firmengeschichte.

Jeder Anleger sollte sich stets darüber im Klaren sein, dass Verwerfungen im physischen Edelmetallhandel weitreichendere Konsequenzen mit sich bringen als ein Crash an der Börse, wo in erster Linie elektronisch gehandelt wird und entsprechende Wertpapiere lediglich verbucht und nicht physisch geliefert werden. Soll heißen: Wertpapierhandel ist deutlich weniger arbeits- und kostenintensiv als der physische Handel edler Barren und Münzen. Bei Letztgenanntem kann eine Kauforder nämlich bis zu zehn Arbeitsschritte enthalten, bis die vom Kunden gewünschte Ware an einen unserer Logistikpartner übergeben wird. Eine konsequente Trennung der einzelnen Funktionen hat bei pro aurum dazu geführt, dass für jeden Arbeitsschritt ein anderer Mitarbeiter zuständig ist. Aufgrund der erhöhten Infektionsgefahr befand sich zeitweise mehr als die Hälfte unserer Mitarbeiter im Homeoffice, zahlreiche Funktionskräfte mussten allerdings vor Ort arbeiten und dabei die gesetzlich geforderten Hygienevorschriften und Abstandsregeln einhalten. Ohne den enormen Einsatz aller Mitarbeiter hätte pro aurum die immense Auftragsflut und den zusätzlichen Arbeitsaufwand sicherlich nicht bewältigen können.

Wirtschaftliche Horrordaten generieren Flucht in Gold

Für den rekordhohen Goldpreis waren in diesem Jahr vor allem rekordhohe Einbrüche wichtiger Konjunkturindikatoren verantwortlich. Besonders hart wurde die US-Wirtschaft von der Pandemie getroffen. Jenseits des Atlantiks wurden zum Beispiel in den Monaten März und April über 22 Millionen Arbeitsplätze abgebaut, was die US-Arbeitslosenrate in der Spitze auf 14,7 Prozent katapultierte. Ein noch höherer Wert wurde mit 24,9 Prozent zuletzt 1933 gemeldet. In dieses katastrophale Bild passt auch die Entwicklung des US-Bruttoinlandsprodukts im zweiten Quartal. Aufgrund des Lockdowns brach die Wirtschaftsleistung innerhalb dieses Zeitraums um 31,7 Prozent p. a. ein. Beängstigende Rekorde wurden auch bezüglich der explodierenden Bilanzsumme der US-Notenbank Fed und mit Blick auf das Defizit des US-Staatshaushalts gemeldet. Innerhalb von lediglich drei Monaten blähte sich die Bilanzsumme der Fed aufgrund der immensen Rettungspakete um rund 3.000 Milliarden Dollar auf. Seit Ausbruch der Corona-Krise hat der US-Kongress insgesamt rund 2,5 Billionen Dollar bewilligt, um die Wirtschaft zu stützen. Dies entspricht in der Gesamtsumme dem größten Hilfspaket in der Geschichte der USA. So erhielt zum Beispiel jeder Arbeitslose bis Ende Juli pro Woche 600 Dollar zusätzlich. Außerdem bekam jeder Steuerzahler eine Einmalzahlung in Höhe von 1.200 Dollar zzgl. 500 Dollar pro Kind.

Die deutsche Bundesregierung begnügte sich mit einer Einmal-Bonuszahlung in Höhe von 300 Euro pro Kind und einer Aufstockung und Verlängerung von Kurzarbeitergeld. Außerdem wurde für Unternehmen und Selbstständige ein Schutzschirm mit Überbrückungshilfen, Bürgschaften und Garantien, steuerlichen Erleichterungen sowie Liquiditätshilfen gespannt. Bis Ende September wurde zudem die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt. Im Herbst droht daher erhebliches Ungemach, schließlich mussten im Zuge der Corona-Krise nicht nur die Reisebranche (Veranstalter, Reisbüros, Hotels und Gastronomie), sondern auch die Autobranche nie da gewesene Umsatzeinbrüche verkraften.

In Deutschland hielt sich der Arbeitsplatzabbau bislang in Grenzen, schließlich kletterte die Arbeitslosenrate seit dem Jahresende lediglich von 3,3 auf 4,4 Prozent (Juli) — doch aufgeschoben heißt bekanntlich nicht aufgehoben. Eines sollte man dabei stets im Hinterkopf behalten: Alle rund um den Globus auf den Weg gebrachten Rettungspakete werden mittlerweile nicht in Milliarden, sondern in Billionen bemessen. Beunruhigend ist auch der Umstand zu werten, dass die daraus resultierenden Schuldenberge aus ungedeckten Fiat-Währungen bestehen. Böse Zungen behaupten in Anlehnung an die gleichnamige italienische Automarke übrigens, dass die Abkürzung „Fiat“ für Fehler in allen Teilen steht.

Negative Realzinsen bei US-Staatsanleihen

Im Zuge der Corona-Krise rutschten die Renditen von Triple-A-Staatsanleihen im Laufe des Jahres auf neue Rekordtiefs. Im März stürzte zum Beispiel die deutsche Umlaufrendite zeitweise unter minus 0,8 Prozent. Zehnjährige US-Staatsanleihen warfen Anfang August mit 0,508 Prozent p. a. so wenig wie noch nie ab. Damit leiden nunmehr auch US-Anleiheinvestoren unter negativen Realrenditen, schließlich war für August eine Inflationsrate in Höhe von 1,3 Prozent gemeldet worden. Das heißt: Bei Anleihen sind auf inflationsbereinigter Basis Vermögensverluste vorprogrammiert. Niedrige Zinsen gelten aus zwei Gründen als vorteilhaft für Gold. Erstens: Beim gelben Edelmetall reduziert dies die Opportunitätskosten, die sich aus dem Verzicht auf Anleihezinsen ergeben. Zweitens: Niedrige US-Renditen schmälern die Attraktivität des Dollars und führen erfahrungsgemäß zu Umschichtungen in Gold.

Das größte Problem bei festverzinslichen Wertpapieren besteht ohnehin in dem Umstand, dass deren Wert ausschließlich auf dem Vertrauen beruht, dass die Emittenten ihre Versprechen einhalten werden, Zinsen pünktlich zu zahlen und fällige Papiere zu tilgen. Des Weiteren gehen die Inhaber solcher Papiere davon aus, dass die Ausschüttungen und Rückzahlungen in der jeweiligen Landeswährung keiner allzu großen Entwertung (Inflation) unterliegen. Dieses sogenannte Kontrahentenrisiko entfällt bei Investments in Goldbarren oder -münzen. Es wird zwar durch ein Kursrisiko ersetzt, aber dieses ist auch bei Staatsanleihen bester Bonität derzeit nicht von der Hand zu weisen. Besonders interessant: Goldinvestments konnte man im September als weniger riskant einstufen als den Kauf deutscher, europäischer und US-amerikanischer Blue Chips, schließlich übertrafen deren Volatilitätsindizes den CBOE-Goldvolatilitätsindex mitunter recht deutlich.

Nachfragestruktur hat sich massiv verändert

Die Verunsicherung der Aktieninvestoren lässt sich aber auch beim Blick auf die Struktur der globalen Goldnachfrage erkennen, wo man fast schon von einem „Erdbeben“ sprechen kann. Steil bergab ging es bspw. mit der globalen Schmucknachfrage, insbesondere in Asien. Sie leidet unter nachlassenden Konjunkturperspektiven, steigenden Arbeitslosenzahlen und unter den coronabedingten Shopping-Einschränkungen besonders stark. Außerdem gelten asiatische Goldkäufer als sehr preissensitiv. Soll heißen: Bei steigendem Goldpreis lässt deren Nachfrage normalerweise stark nach. Dies kommt durch den Halbjahresbericht des Word Gold Council klar zum Ausdruck. So hat sich die globale Schmucknachfrage im ersten Halbjahr 2020 — bedingt durch extreme Einbrüche in China und Indien — auf 572 Tonnen fast halbiert.

Mehr als kompensiert wurde dieser Negativtrend allerdings durch das Marktsegment Exchange Traded Funds (ETFs) — also physisch hinterlegtem Papiergold. Laut Daten des World Gold Council (WGC) gab es hier enorme Zuflüsse zu vermelden. Für die ersten neuneinhalb Monate meldete der WGC mit 957,7 Tonnen im Gegenwert von über 52 Milliarden Dollar rekordhohe Nettozuflüsse. Nur zur Erinnerung: Der bisherige Rekord lag bei 646 Tonnen und war im Krisenjahr 2009 registriert worden. Ein weiterer Rekord wurde in diesem Jahr bezüglich der gemeldeten ETF-Goldbestände gemeldet. Im September beliefen sich diese auf 3.844 Tonnen und übertrafen damit die deutschen Goldreserven um über 480 Tonnen. Für mich hat dies vor allem einen Grund. ETFs gelten bei großen Fonds und Kapitalsammelstellen, die bisher im gelben Edelmetall deutlich unterinvestiert waren, als erste Wahl — und deren Verunsicherung scheint derzeit relativ ausgeprägt zu sein.

Besonders auffällig: Laut den vom WGC vorgelegten Daten (Stand: 11. September 2020) waren vor allem nordamerikanische und europäische Investoren für die massiven ETF-Zuflüsse verantwortlich. Fast 65 Prozent des Interesses entfielen auf die Region Nordamerika und 29 Prozent waren europäischen Anlegern zuzuschreiben. Und selbst die Asiaten scheinen an dieser Form des Goldinvestments verstärkt Gefallen zu finden, schließlich war für diese Region ein Wert von 36 Tonnen (2019: minus 0,2 Tonnen) gemeldet worden.

Neue Goldpreisrekorde wahrscheinlich

Bis Mitte September verteuerte sich der Goldpreis aufgrund der pandemiebedingten Verunsicherung bislang um rund 30 Prozent. Ende Juli wurde das alte Rekordhoch aus dem Jahr 2011 überschritten und Anfang August markierte der Krisenschutz sogar neue Höchststände. Auf Dollarbasis kletterte der Goldpreis über 2.075 Dollar und in Euro gerechnet stellte sich ein Allzeithoch von 1.753 Euro ein (Stand: 15. August 2020). Mein Fazit: Noch nie hat die Menschheit ein ähnlich hohes Wachstum der Geldmenge gesehen wie in diesem Jahr. Obwohl viele Analysten und Volkswirte aktuell von deflationären Tendenzen sprechen, ist das für mich Inflation. Ich bin davon überzeugt, dass sich diese Diskussion schon in ein paar Monaten ins genaue Gegenteil verkehren wird. Es würde mich daher nicht wundern, wenn wir in den kommenden Jahren — sowohl in Dollar als auch in Euro — weitere Goldpreisrekorde sehen werden: Ein Motto sollte man daher stets im Hinterkopf behalten: Wer Gold hat, hat immer Geld.

Ihr Mirko Schmidt

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