Goldreport 08/21: Achterbahnfahrt im August
Der Goldhandel im August war von heftigen Turbulenzen gekennzeichnet, insbesondere an den Terminmärkten. Bedingt durch einen sogenannten Flash-Crash stürzte der Goldpreis zeitweise unter die Marke von 1.700 Dollar und schwankte in einer relativ breiten Tradingrange von 125 Dollar.
Verunsicherung nach Flash-Crash
Es ist zwar ein relativ seltenes Phänomen, als „nie dagewesenes Ereignis“ kann man den Flash-Crash vom 9. August allerdings nicht bezeichnen. An diesem Morgen brach der Goldpreis zu nachtschlafender Zeit innerhalb weniger Minuten gegenüber seinem Freitagshoch um über 130 Dollar ein. Festzuhalten bleibt: Es war nicht das erste Mal und wird wahrscheinlich auch nicht das letzte Mal gewesen sein. Solche „Verrücktheiten“ gab es beim Goldpreis in der Vergangenheit bereits des Öfteren zu beobachten. Extrem starke Kurseinbrüche binnen kurzer Zeit traten meist am späten Freitagabend oder am frühen Montagmorgen auf. Also immer dann, wenn wichtige Handelsplätze der Welt geschlossen waren und die Liquidität aufgrund der Abstinenz der meisten Marktakteure außerordentlich gering ausfiel.
Viele „Goldfans“ interpretieren solche Flash-Crashs daher als Hinweis für manipulatorische Marktkräfte, die den Goldpreis — warum auch immer — auf einem niedrigeren Niveau sehen möchten. Um dieses Ziel zu erreichen, werden hohe Kapitalsummen auf einen fallenden Goldpreis gewettet. Relativ leicht lassen sich solche Kurseinbrüche verursachen, wenn an den Terminmärkten zahlreiche Stopp-Loss-Marken zur Verlustbegrenzung platziert sind. Diese verlaufen häufig in der Nähe wichtiger charttechnischer Trendlinien oder Unterstützungszonen. Große Player mit viel Kapital im Rücken können dann das Auslösen dieser Stopp-Loss-Marken und den daraus resultierenden Preiseinbruch erzwingen.
Über die genaue Ursache für den jüngsten Flash-Crash kann man jedoch nur spekulieren. Denkbar wäre zum Beispiel, dass ein oder mehrere Spekulanten durch den Verkauf von Gold-Futures die stopp-bedingten Verkäufe absichtlich ausgelöst haben, um sich billig mit großen Mengen Gold einzudecken und von der nachfolgenden Erholung zu profitieren. Im Zuge dieser Verwerfungen wurden dann die zuvor aufgebauten Futures-Positionen mit Verlust glattgestellt. Vielleicht wollte aber auch jemand, den Goldpreis unter das diesjährige Jahrestief drücken. Das Verletzen der hier verlaufenden massiven Unterstützung hätte dann zusätzlichen chartinduzierten Verkaufsdruck auslösen sollen. Fazit: Dieser vermeintliche Plan wäre dann allerdings als gescheitert anzusehen.
Robert Hartmann, Mitgründer von pro aurum, wundert sich im Zusammenhang mit dem jüngsten Flash-Crash, dass jemand in der Nacht von Sonntag auf Montag (9. August) Gold im Gegenwert von vier Milliarden Dollar verkauft hat. Also gerade zu der Zeit, wo der Markt am dünnsten ist und die wichtigsten Player schlafen. Er sagt: „Meines Erachtens kann es sich hierbei nur um eine Stopp-Loss-Order handeln. Diese wurde aber wohl nicht im Interesse des dahinterstehenden Kunden behandelt.“ Den erfahrenen Edelmetallprofi erinnert die ganze Situation an ein Wochenende im April 2013. Damals lagen zwischen Tageshoch und Tagestief des Goldpreises sogar mehr als 155 Dollar.
Gold wieder weniger riskant als S&P-500
Unmittelbar nach dem Flash-Crash waren viele Anleger, die Gold vor allem als „sicheren Hafen“ betrachtet haben, durch die massiven Preisschwankungen stark verunsichert. Mittlerweile kann man unter finanzmathematischen Aspekten aber wieder Entwarnung geben. Für kurze Zeit fiel der CBOE-Goldvolatilitätsindex (GVZ) nämlich höher als sein Pendant auf den S&P-500-Index (VIX) aus. Die US-Terminbörse Chicago Board Options Exchange hat einige Volatilitätsindizes auf verschiedene Anlageklassen konzipiert und veröffentlicht deren Stand fortlaufend. Aktuell kann man den Kauf von Gold (GVZ: 15,9 Prozent) wieder als weniger riskant einordnen als ein Investment in die 500 bedeutendsten US-Aktien (VIX: 17,3 Prozent). Gemäß den Erkenntnissen der Kapitalmarkttheorie müsste man dem Aktienindexinvestment aufgrund der starken Diversifikation jedoch ein niedrigeres Gesamtrisiko als dem Goldinvestment zugestehen. Derzeit scheint an den Finanzmärkten aber das genaue Gegenteil der Fall zu sein.
Robert Hartmann will in der gegenwärtigen Marktphase nicht ausschließen, dass wir noch einmal die Marke von 1.700 Dollar pro Feinunze testen werden. Er meint: „Goldpreise von weniger als 1.700 Dollar sind für mich aufgrund des völlig intakten fundamentalen Umfelds aber mittel- bis langfristig eindeutig Kaufkurse!“ Übrigens: Langfristig denkende Anleger und Kunden von pro aurum haben am 9. August, also am Tag des massiven Kurseinbruchs reagiert und mitunter kräftig zugekauft. Außerdem haben nicht wenige Neukunden an diesem Tag Orders im beträchtlichen sechsstelligen Bereich platziert.
US-Arbeitsmarkt und Inflation sind besonders wichtig
Im August wurden folgende Themenkomplexe ebenfalls heiß diskutiert: der US-Arbeitsmarkt sowie die weltweite Entwicklung der Inflation. Die US-Notenbank Fed stuft vor allem den US-Arbeitsmarkt als besonders wichtige Richtgröße für ihre Geldpolitik ein. Am Freitag vor dem Flash-Crash fiel der Juli-Bericht des US-Arbeitsministerium ausgesprochen positiv (und somit negativ für Gold) aus. So rutschte zum Beispiel die US-Arbeitslosenrate von 5,9 auf 5,4 Prozent stärker als erwartet ab und zugleich fiel die Zahl neu geschaffener Stellen mit 943.000 (Juni: 938.000) unerwartet hoch aus. Auf diese negative Nachricht hatten asiatische Investoren am 9. August mit verstärktem Verkaufsinteresse reagiert und dadurch den Flash-Crash zusätzlich „befeuert“.
Ein starker US-Arbeitsmarkt, verstärkt in der Regel die Sorgen um die künftige US-Geldpolitik. Für den Fall, dass die Fed ihre ultralockere Politik zur Stützung der US-Wirtschaft früher als erwartet abschwächen sollte, könnten bei Goldinvestments steigende Opportunitätskosten (Zinsverzicht) eine nachlassende Attraktivität mit sich bringen. Hierbei sind vor allem die Entwicklung von Dollar und US-Renditen von entscheidender Bedeutung. Sowohl steigende Zinsen als auch eine markante Dollarstärke gelten unter Kapitalmarktexperten tendenziell als nachteilhaft für Gold.
In der aktuellen Marktphase scheint ein wichtiges Kaufargument für Gold aber regelrecht ignoriert zu werden: die relativ hohe Inflation bzw. Geldentwertung. Im Juli verharrte diese in den USA bei 5,4 Prozent p.a., während sie ein Jahr zuvor bei lediglich einem Prozent lag. Das heißt: Sollte zwei Jahre in Folge eine solch hohe Teuerungsrate registriert werden, würde Bargeld in Höhe von 100.000 während dieses relativ kurzen Zeitraums ein Zehntel seiner Kaufkraft verlieren. Notenbanker diesseits und jenseits des Atlantiks gehen davon aus, dass die hohe Inflation ein temporäres Problem sein wird und sich aufgrund mehrerer Faktoren wieder reduzieren wird. Neue Hinweise erhoffen sich die Akteure an den Goldmärkten vom Notenbankertreffen in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming, wo Fed-Chef Jerome Powell am 27. August eine Rede zur aktuellen US-Geldpolitik halten wird. Weil wir seit Jahrzehnten das größte geldpolitische Experiment aller Zeiten erleben, sollte man aber dessen Vorhersagen nicht zu sehr für „bare Münze nehmen“ und lieber mit Goldmünzen oder -barren solide Risikovorsorge betreiben.
Edelmetallexperte Hartmann ist davon überzeugt, dass Gold und Silber ihre altbewährte Funktion als Wertspeicher erfüllen und die Kaufkraft der Anleger erhalten werden. Er sagt: „Der langfristige Kaufkrafterhalt ist die wichtigste Funktion der Edelmetalle und ein wichtiges Argument, warum ein solides Portfolio zu 15 bis 20 Prozent auf Edelmetallen basieren sollte. Daran ändern auch noch so viele Flash-Crashs absolut nichts.“
Robert Hartmann hat sich durch den jüngsten Flash-Crash keineswegs nervös machen lassen. Er rät Menschen die noch gar nicht in Gold investiert sind, dass sie auf dem gedrückten Preisniveau zu deutlich günstigeren Preisen 30 bis 50 Prozent ihres Zielinvestments tätigen sollten. Zudem konstatiert er: „Sparer, die einen Goldsparplan abgeschlossen haben, können sich jetzt darüber freuen, dass sie mehr Edelmetalle für Ihr Geld bekommen. Diese Kunden sind dafür bekannt, dass sie das Tagesrauschen der Goldmärkte in der Regel ignorieren, weil sie extrem langfristig orientiert sind.“ Im Grunde genommen hat sich die Attraktivität von Goldsparplänen durch den jüngsten Flash-Crash sogar erhöht.
Trotz Flash-Crash solide Nachfrage im August
Nach dem Ausverkauf an den Futuresmärkten (9. August) fiel die physische Goldnachfrage wieder höher als in den Vorwochen, aber niedriger als im ersten Quartal aus. Wie im Monat zuvor war Gold und Silber besonders stark gefragt, wobei vor allem auffällig viele Kilobarren gekauft wurden. Nach dem Rutsch unter die Marke von 1.000 Dollar pro Feinunze sieht für Robert Hartmann derzeit Platin „sehr gut aus“. Als Kaufargument sieht er vor allem Nachrichten, wonach beim Bau von Katalysatoren in den nächsten ein bis zwei Jahren das deutlich teurere Palladium durch Platin ersetzt werden könnte. Derzeit sei die physische Nachfrage auf dem aktuellen Niveau sehr robust.
Drei Fragen an die Privatkunden von pro aurum
An der Edelmetall-Stimmungsumfrage von pro aurum haben sich im August 1.308 Personen beteiligt, nachdem diese Zahl im Juli bei lediglich 672 lag. Während sich der Anteil der Kaufwilligen gegenüber dem Vormonat von 44,6 auf 47,0 Prozent spürbar erhöht hat, gab es bei den Anlegern, die gegenüber Edelmetallen eine abwartende Haltung einnehmen, ein leichtes Minus von 48,8 auf 47,0 Prozent zu beobachten. Als vernachlässigbar kann man weiterhin die Verkaufsbereitschaft der Befragten einordnen. Deren Quote hat sich nämlich von 6,6 auf 6,0 Prozent leicht reduziert.
Bei der Frage nach der Bewertung der aktuellen Edelmetallpreise stellte sich im August erneut eine rückläufige Tendenz ein. Eine Unterbewertung sehen bei Gold & Co. mittlerweile 53,7 Prozent der Umfrageteilnehmer, nachdem für Juli noch eine Quote von 63,8 Prozent gemeldet worden war. Deutlich verstärkt hat sich indes die Ansicht, dass Edelmetalle aktuell fair bewertet seien. Hier war nämlich ein signifikanter Anstieg von 26,8 auf 31,7 Prozent zu beobachten. Auch die Meinung, dass bei Edelmetallen gegenwärtig eine Überbewertung vorliegt, verzeichnete einen erhöhten Zuspruch. Hier war ein markantes Plus von 9,4 auf 14,6 Prozent registriert worden.
Befragt nach der weiteren Preisentwicklung der Edelmetalle im kommenden Quartal war die Prognose eines Seitwärtstrends am stärksten vertreten. Gegenüber dem Vormonat erhöhte sich der Anteil von 45,1 auf 49,1 Prozent. Unter den Optimisten, die steigende Edelmetallpreise erwarten, war im August hingegen ein kräftiges Minus von 44,7 auf 32,4 Prozent zu beobachten. Steil nach oben ging es jedoch mit der Quote der pessimistisch gestimmten Anleger, deren Anteil sich gegenüber dem Vormonat von 10,2 auf 18,5 Prozent erhöht hat.
Den gesamten Goldreport als PDF zum Download
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