Goldreport 09/20: Krisenschutz legt Atempause ein

pro aurum Kilchberg ZH
7 min readSep 24, 2020

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Im September hat der Goldpreis „einen Gang zurückgeschaltet“ und rutschte sogar unter die Marke von 1.900 Dollar. Langfristig denkende Anleger sollten dies als gesunde technische Korrektur in einem weiterhin gesunden Aufwärtstrend sehen.

Strategieschwenk der US-Notenbank Fed

Die US-Notenbank Fed überraschte die Investoren Ende August mit der Ankündigung eines Strategiewechsels. Auf dem erstmals in virtueller Form abgehaltenen Jackson-Hole-Notenbanksymposium verkündete Fed-Chef Jerome Powell, man werde in Zukunft Inflationsraten von mehr als zwei Prozent tolerieren und dem Arbeitsmarkt die höchste Priorität einräumen. Anstelle von Obergrenzen sollen bei der Inflation Durchschnittswerte treten. Das heißt: Wird der Zielwert von zwei Prozent für längere Zeit unterschritten, kann die Fed im Anschluss daran für eine gewisse Zeit höhere Teuerungsraten akzeptieren. Dadurch will man ein höheres Maß an Flexibilität erlangen und nicht gezwungen sein, bei einer Geldentwertung von mehr als zwei Prozent sofort die Leitzinsen erhöhen zu müssen. Nun stellt sich vor allem eine Frage: Rechnet die Fed mit einem baldigen Überschreiten der bisherigen Obergrenze?

Für Robert Hartmann, einer der beiden Gründer von pro aurum, zeigt der Strategieschwenk der Fed, dass sich die Schlinge für die US-Notenbank offensichtlich immer weiter zuzieht. Er sagt: „Dieses Statement zeigt meiner Meinung nach, wie verzweifelt und getrieben die Fed ist. Ein willkommener Nebeneffekt dieser Politik ist sicherlich, dass die Akteure an der Wall Street zuversichtlich bleiben, dass sie auch weiterhin die volle Unterstützung der amerikanischen Notenbank haben werden.“ Für Edelmetallexperte Hartmann stellt sich allerdings folgende Frage: Welche Werkzeuge hat die Fed jetzt überhaupt noch, um neue Krisen bzw. unvorhergesehene Ereignisse zu managen? Er zieht deshalb folgendes Fazit und erklärt: „In Zukunft bleiben eigentlich nur noch negative Nominalzinsen. Für die Edelmetallinvestoren sind das mittel- bis langfristig gute Nachrichten, schließlich performen Gold, Silber & Co. immer dann am besten, wenn die Realzinsen — also die Nominalzinsen abzüglich der Inflationsrate — sinken, so wie das in den vergangenen Jahren der Fall war.“

Wechsel vom Aufwärts- in den Seitwärtsmodus

Nachdem das gelbe Edelmetall im August — sowohl in Dollar als auch in Euro — neue Rekordhochs markiert hatte, legte der Krisenschutz im September eine Atempause ein. Auf dem erhöhten Preisniveau kann man nun eine Seitwärtsbewegung ausmachen. Von „echtem“ Verkaufsdruck sollte man diesbezüglich aber nicht sprechen. Im Bereich von 1.900 Dollar hat sich in den vergangenen Wochen eine massive Unterstützungszone gebildet, die es nun zu verteidigen gilt.

Im Zuge der diesjährigen Goldrally haben einige Analysten ihre Kursziele für Gold und Silber deutlich nach oben revidiert. Dies trifft unter anderem auf den Edelmetallkonzern Heraeus zu. Anfang des Jahres prognostizierte Hans-Günter Ritter, der Leiter des Edelmetallhandels bei Heraeus, für das Jahr 2020 noch einen durchschnittlichen Goldpreis von 1.500 Dollar und eine Bandbreite zwischen 1.400 und 1.700 Dollar. Mittlerweile hält er einen Anstieg auf 2.200 Dollar für möglich. Für die Einschätzungen der US-Investmentbank Goldman Sachs interessieren sich Investoren erfahrungsgemäß besonders stark. Deren Analysten haben im August ihre bisherige Prognose von 2.000 Dollar deutlich angehoben. Sie rechnen in den kommenden zwölf Monaten nun mit einem Anstieg auf 2.300 Dollar pro Feinunze.

Zum Thema „Analystenprognosen“ gibt Robert Hartmann Folgendes zu bedenken: „Die meisten Analysten laufen schon seit jeher den tatsächlichen Ereignissen an den Märkten hinterher. Es gibt nur wenige, die sich trauen, eine substanzielle Abweichung vom aktuellen Goldpreis zu prognostizieren, schließlich birgt dies stets das Risiko, richtig danebenzuliegen.“ Er kenne nur wenige Banken, die deutlich höhere Goldpreise prognostizieren. Dazu gehöre beispielsweise die Bank of America, die in den kommenden Jahren einen Preis von 3.000 Dollar vorhergesagt hat. Die höchste Wertschätzung bringt Edelmetallprofi Hartmann vor allem einer Analyse entgegen: dem jährlich erscheinenden Report „In Gold We Trust“ von Ronald Stöferle und Mark Valek von der liechtensteinischen Vermögensverwaltung Incrementum AG. Hartmann meint: „Diese Publikation ist für mich das Nonplusultra, was Qualität und Hintergrundinformation über den Edelmetallmarkt angeht. Solange sich die Geldmengen weiterhin ausweiten, müssen Gold und Silber den dadurch entstehenden Kaufkraftverlust ausgleichen — egal, was Analysten sagen.“

Übrigens: Laut dieser Analyse wird sich das gelbe Edelmetall gegen Ende der Dekade bis auf 4.800 Dollar pro Feinunze verteuern, wobei die Autoren darauf hinweisen, dass es sich dabei um ein konservatives Goldpreismodell handle. Sollte sich das Geldmengenwachstum indes ähnlich inflationär wie in den 1970er-Jahren entwickeln, sei bis 2030 ein deutlich höherer Goldpreis von 8.900 Dollar denkbar.

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ETF-Nachfrage und Goldminen schwächeln

Ins Stocken gerieten in den vergangenen Wochen die in diesem Jahr zu beobachtenden globalen Nettozuflüsse der Gold-ETFs. Sie waren der Hauptgrund für die rasante Goldpreisrally vom unter 1.500 Dollar markierten Jahrestief auf das Allzeithoch deutlich oberhalb von 2.000 Dollar. Aktuelle Daten des World Gold Council belegen aber weiterhin einen markanten Nachfrageboom in diesem Marktsegment. Seit dem Jahreswechsel gab es nämlich per Saldo Goldzuflüsse im Volumen von 980,8 Tonnen (Stand: 18. September 2020) zu vermelden. Damit steht die Chance auf das Markieren eines neuen Rekordwerts ausgesprochen gut, schließlich war im Krisenjahr 2009 ein Allzeithoch von „lediglich“ 646,1 Tonnen erzielt worden.

Der nachgebende Goldpreis wirkte sich auch auf die Aktienkurse großer Goldminenunternehmen aus. Im Sommer wurde bekannt, dass Investorenlegende Warren Buffet 21 Millionen Aktien des weltgrößten Goldminenunternehmen Barrick Gold gekauft hat und damit rund 1,2 Prozent der Firma besitzt. Nur zur Erinnerung: In der Vergangenheit hat Buffett stets schlecht über Gold geredet. Da solchen Aktien schon immer eine Hebelwirkung zum Goldpreis nachgesagt wurde, sollte man über deren jüngsten Kursrückschlag nicht zu erstaunt sein. Robert Hartmann wundert sich allerdings, dass Goldminen-Aktien immer noch rund 30 bis 50 Prozent unterhalb ihrer Allzeithochs aus dem Jahr 2011 notieren — und dies, obwohl der Goldpreis das damalige Niveau übertroffen hat und die Gesellschaften ihre Hausaufgaben gemacht haben. So wurde zum Beispiel der Verschuldungsgrad bei den größeren Gesellschaften signifikant reduziert. Außerdem werden in der Branche derzeit rekordhohe Cashflows generiert. Hartmann ist deshalb optimistisch gestimmt und sagt: „Meiner Meinung nach verfügen Goldminen über erheblichen Nachholbedarf. Die Kursschwankungen der Minentitel fallen aber deutlich höher aus als beim Goldpreis.“ Um die Nerven zu schonen, rät er deshalb, sich nur in mehreren Tranchen bzw. über eine fixe monatliche Summe (Cost-Average-Effekt) in dieses Marktsegment einzukaufen. Je nach Risikoneigung sollte der Anteil am Edelmetallportfolio zwischen zehn und 30 Prozent liegen.

Ordentliches Orderaufkommen im September

Bei pro aurum fiel das Orderaufkommen im September laut Robert Hartmann sehr ordentlich aus, allerdings ist es weit entfernt von den Werten der Monate März und April. Nach wie vor sind nur sehr wenige Goldmünzen in den Gewichtseinheiten halbe, viertel und zehntel Unze lieferbar. Die Produzenten konzentrieren sich weiterhin auf die Herstellung der Unzenmünzen. Silberfans dürfen sich im Oktober auf den Handelsstart des „Kookaburras 2021“ freuen. Die neue Silbermünze der australischen Perth Mint soll in den Gewichtseinheiten eine Unze und ein Kilogramm erhältlich sein, eine Zehn-Unzen-Variante soll etwas später folgen.

Drei Fragen an die Privatkunden von pro aurum

An der Edelmetall-Stimmungsumfrage von pro aurum haben sich im September fast 500 Personen beteiligt (Vormonat: 405 Teilnehmer). Dabei hat der Anteil der Kaufwilligen im Berichtszeitraum von 47,4 auf 47,9 Prozent leicht zugenommen. Wie im Vormonat war erneut eine abwartende Haltung unter den Befragten am zweithäufigsten vertreten. Hier gab es nämlich einen Zuwachs von 45,9 auf 46,7 Prozent zu beobachten. Erneut nachgelassen hat hingegen die Verkaufsbereitschaft, wo ein Rückgang von 6,7 auf 5,4 Prozent registriert worden war. Alles in allem kann man das Marktsentiment bei Edelmetallen als weiterhin zuversichtlich bezeichnen.

Signifikant verändert hat sich unter den Umfrageteilnehmern jedoch die Bewertung der aktuellen Edelmetallpreise. Gegenüber dem Vormonat sind aktuell 46,3 Prozent der Anleger davon überzeugt, dass Edelmetalle unterbewertet sind. Im August lag dieser Wert bei lediglich 39,6 Prozent. Eine faire Bewertung sehen bei den Edelmetallpreisen lediglich 36,1 Prozent der Befragten, nachdem im August noch ein Wert von 41,6 Prozent gemeldet worden war. Wenig getan hat sich hinsichtlich der Meinung, dass derzeit eine Überbewertung vorliegt. Hier ist ein leichter Rückgang von 18,8 auf 17,6 Prozent registriert worden.

Hinsichtlich der Frage nach der Preisentwicklung der Edelmetalle im kommenden Quartal konnte man unter den Privatanlegern eine wachsende Skepsis ausmachen. So prognostiziert mittlerweile „lediglich“ eine Mehrheit von 49,0 Prozent steigende Edelmetallpreise, nachdem die Quote der Optimisten im August noch bei 53,2 Prozent lag. Kräftig bergauf ging es hingegen mit dem Anteil der Pessimisten. Hier war nämlich auf Monatssicht ein markanter Zuwachs von 7,4 auf 16,0 Prozent registriert worden. Nachgelassen hat hingegen die Ansicht, dass wir künftig einen Seitwärtstrend sehen werden. Nach 39,4 Prozent im August ging es hier auf 35,0 Prozent spürbar nach unten.

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