Goldreport 10/22: Chance auf erfolgreiche Bodenbildung

pro aurum Kilchberg ZH
6 min readOct 28, 2022
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Der Goldpreis bewegt sich wenige Tage vor dem Monatsultimo in etwa auf dem Niveau von Ende September. Nach sechs Monatsverlusten in Folge scheint sich dank rückläufiger US-Renditen und einer leichten Dollarschwäche aktuell eine Bodenbildung abzuzeichnen.

Turbulenzen in Großbritannien

Weil die US-Notenbank Fed der unverändert hohen Inflation weiterhin den Kampf angesagt hat, ist ein Ende der Zinserhöhungsrunde derzeit noch nicht in Sicht. Dies lässt sich am FedWatch-Tool des Terminbörsenbetreibers CME Group derzeit besonders gut ablesen. Hier wird nämlich eine Wahrscheinlichkeit von 91 Prozent angezeigt, dass am 2. November zum vierten Mal in Folge eine Zinserhöhung um 75 Basispunkte erfolgen könnte. Vor einem Monat lag dieser Wert bei lediglich 63 Prozent. Derzeit bewegt sich die Fed auf einem schmalen Pfad. Die Zinserhöhungen sollen zum einen die Inflation bekämpfen und zum anderen aber die Konjunktur nicht abwürgen — ein außerordentlich schwieriges Vorhaben.

Die heftigen Turbulenzen am britischen Anleihemarkt haben eindrucksvoll vor Augen geführt, in welch labiler Verfassung sich die Anleihemärkte derzeit befinden. Unmittelbar nach der Bekanntgabe von Steuersenkungsplänen der britischen Regierung stürzten die Kurse britischer, Anleihen und das Pfund so stark ab, dass einigen Pensionsfonds sogar die Pleite drohte. Entgegen ihren ursprünglichen Plänen war die Bank of England daher gezwungen, Anleihen — die am freien Markt keiner wollte — nun doch zu kaufen. Zeitweise erwarb sie pro Tag Papiere im Wert von zehn Milliarden Pfund und verhinderte dadurch Schlimmeres. Nun darf man gespannt sein, ob sich die Gemüter an den Finanzmärkten nach der Entlassung des für das Desaster verantwortlichen Finanzministers Kwasi Kwarteng und dem Rücktritt von Premierministerin Liz Truss dauerhaft beruhigen werden.

Robert Hartmann, der Mitgründer von pro aurum, kritisiert, dass einige Pensionskassen in England, ihre Risikopositionen durch die Aufnahme von Krediten um ein Vielfaches der eigentlichen Möglichkeiten gehebelt hatten. Für diese Kredite wurden Sicherheiten hinterlegt, die jedoch nur 20 bis 30 Prozent der aufgenommenen Gelder betrugen. Er sagt: „In einigen Fällen führten die Bewegungen an den Kapitalmärkten dazu, dass die Sicherheiten nicht ausreichten, um die aufgelaufenen Kursverluste zu decken. Das System stand wohl kurz vor einer ‚Kernschmelze‘, als die englische Notenbank ankündigte, Staatsanleihen im großen Stil und ohne Limitierung am Markt zu kaufen.“
Für Robert Hartmann sind nach den „britischen Chaos-Tagen“ zwei Schlussfolgerungen besonders wichtig.

Erstens: Die Notenbanken werden wohl immer zur Seite stehen, sobald es zu „ungeordneten“ Bewegungen an den Märkten kommt. Die angekündigten Zinserhöhungen und Verkäufe von Anleihen zum Abbau der Positionen bei den Zentralbanken werden — seiner Meinung nach — mittel- bis langfristig nicht wie geplant stattfinden (können).

Zweitens: Die Nullzinspolitik hat bei Versicherern und Pensionskassen dazu geführt, dass Risikopositionen mit Krediten gehebelt werden (müssen). Dabei stellt sich allerdings folgende Frage: Wie soll eine Versicherung langfristige Erträge in Höhe fünf bis sieben Prozent pro Jahr erwirtschaften, wenn der Zinsmarkt nominal sowie real nichts hergibt? Die Versprechen der Pensionsversicherungen sind nicht realistisch und können sich nur mit gehebelten Positionen erfüllen. Dies birgt jedoch enorme Risiken in sich, bis hin zu möglichen Totalverlusten. Der Fehler liegt also im System selbst.

Deutsche Inflation wird zweistellig

Wer hätte bei der Einführung des Euros für möglich gehalten, dass die deutsche Inflationsrate einmal höher ausfallen könnte als in Ländern wie Italien, Frankreich oder Spanien? Mittlerweile ist dies bittere Realität geworden, schließlich mussten deutsche Konsumenten im September eine jährliche Teuerungsrate von 10,0 Prozent hinnehmen, den höchsten Wert seit über 70 Jahren. Bei unseren europäischen Nachbarn schlugen im selben Zeitraum „lediglich“ Kaufkraftverluste in Höhe von 5,6 Prozent (Frankreich) bzw. jeweils 8,9 Prozent (Italien und Spanien) zu Buche. Belastet wird der deutsche Geldbeutel vor allem durch besonders stark steigende Energie- und Lebensmittelpreise. So war zum Beispiel im Energiesektor eine gegenüber dem Vormonat von 35,6 auf 43,9 Prozent beschleunigte Verteuerung registriert worden. Bei Nahrungsmitteln fiel der Anstieg von 16,6 auf 18,7 Prozent nicht ganz so heftig aus.

Edelmetallexperte Hartmann merkt an, dass es in nahezu allen Anlageklassen entweder für alle nach unten oder für alle nach oben geht. Derzeit gäbe es so gut wie keine Anlageklasse, die zu Aktien oder Anleihen negativ korreliere. Insbesondere die Fans von Kryptowährungen müssten seit Monaten beobachten, dass sich Bitcoin & Co wie ein Derivat auf die US-Technologiebörse verhält. Hartmann konstatiert: „Der Goldpreis befindet sich gegenüber dem US-Dollar seit rund zwei Jahren in einer Korrektur. Gegen fast alle anderen Währungen konnte der Aufwärtstrend der vergangenen Jahre jedoch verteidigt werden und die Korrekturen sind hier deutlich schwächer ausgefallen.“ Außerdem fände er es interessant zu berechnen, auf welchem Minus die Zentralbanken stehen würden, wenn man die dort liegenden Anleihen einmal zu Marktpreisen bewerten würde. Der hier aufgelaufene Verlust dürfte sicherlich nicht einmal ansatzweise durch Eigenkapital gedeckt sein.

Uneinheitliche Tendenz bei ETFs und Futures

Im Oktober dominierten bei Gold-ETFs weiterhin eher Verkäufe das Marktgeschehen, allerdings scheinen sich diese mittlerweile abzuschwächen. Während nämlich im September laut Daten des World Gold Council im ETF-Sektor weltweit 95,4 Tonnen abgeflossen sind, wurde für den noch laufenden Monat bislang ein Minus von 44,9 Tonnen (Stand: 21. Oktober) gemeldet. Deutlich aufgehellt hat sich im Oktober hingegen die Stimmung an den Terminmärkten, insbesondere unter den spekulativen Marktakteuren (Stand: 18. Oktober). Sowohl Großspekulanten (Non-Commercials) als auch Kleinspekulanten (Non-Reportables) haben vor allem ihre Short-Seite massiv zurückgefahren. Dadurch hat sich seit Ende September die Netto-Long-Position (mehrheitlich optimistisch gestimmt) großer Terminspekulanten von 52.100 auf 76.950 Kontrakte (+47,7 Prozent) erhöht. Bei kleinen Terminspekulanten stellte sich ebenfalls ein kräftiger Zuwachs von 9.300 auf 13.100 Futures (+40,9 Prozent) ein. Wenn man diese beiden kräftig gestiegenen Werte allerdings mit denen zum Jahreswechsel 2021/22 vergleicht, lässt sich nach wie vor erhebliches Nachholpotenzial ausmachen. Damals fiel deren Optimismus nämlich um mehr als das Doppelte stärker aus. Sollte diese Zuversicht zurückkehren, ist mit deutlich höheren Goldpreisen zu rechnen.

Zum zweiten Mal in Folge hat die EZB am 27. Oktober den Leitzins um 75 Basispunkte nach oben geschraubt und erfüllte damit die Erwartungen der meisten Anleger und Analysten. Robert Hartmann geht davon aus, dass die Notenbanken angesichts der ausgeuferten Staats- und Unternehmensverschuldung die Zinsen gar nicht so hochtreiben können, wie es angesichts der hohen Inflationsraten notwendig wäre. Dies würde nämlich zu einem Zusammenbruch der Finanzmärkte, von Versicherungsgesellschaften und von Pensionskassen führen. Er sagt: „Ich gehe davon aus, dass eine höhere Inflationsrate zukünftig akzeptiert wird. Als Schuldner birgt dies auch den Vorteil, dass man seine Schulden mit ‚minderwertigem‘ Geld tilgen kann, also mit Geld, dass einer erheblichen Inflation ausgesetzt war. So haben das die Staaten schon immer gemacht.“

Nach wie vor ordern die Kunden von pro aurum erhebliche Mengen an Gold und Silber. Die Verfügbarkeit hat sich insbesondere bei den Goldbarren ab 250 Gramm verbessert. Die Aufgelder bleiben aber dennoch historisch betrachtet auf erhöhtem Niveau.

Drei Fragen an die Privatkunden von pro aurum

Im Oktober legte die Zahl der Teilnehmer an der Edelmetall-Stimmungsumfrage von pro aurum gegenüber dem Vormonat von 501 Personen auf 786 zu. Dabei war beim Anteil der Kaufwilligen ein Rückgang von 54,5 auf 45,8 Prozent registriert worden. Außerdem nimmt eine Mehrheit von 46,6 Prozent (September: 41,3 Prozent) derzeit eine tendenziell abwartende Haltung ein. Zugleich hat sich die Verkaufsbereitschaft gegenüber dem Vormonat von 4,2 auf 7,6 Prozent erhöht.

Bei der Frage nach der Bewertung der aktuellen Edelmetallpreise stuft im Oktober eine große Mehrheit von 65,8 Prozent Gold & Co. als unterbewertet ein, nachdem im Monat zuvor ein Wert von 52,0 Prozent registriert worden war. Eine faire Bewertung sehen mittlerweile 22,8 Prozent (Vormonat: 35,7 Prozent) der Befragten. Kaum verändert hat sich hingegen die Quote derer, die in der aktuellen Marktlage die Edelmetallpreise als überbewertet einstufen. Hier stellte sich lediglich ein leichter Rückgang von 12,3 auf 11,4 Prozent ein.

Mit Blick auf die Frage nach der weiteren Preisentwicklung der Edelmetalle im kommenden Quartal gab es im Oktober erhebliche Stimmungsänderungen zu vermelden. Einen starken „Aderlass“ gab es unter den Optimisten zu beobachten. Deren Anteil hat sich nämlich gegenüber dem Vormonat von 41,4 auf 27,4 Prozent reduziert. Mehr als die Hälfte der Befragten — nämlich 50,7 Prozent — hält bei den Edelmetallpreisen aktuell eine Seitwärtstendenz für wahrscheinlich (September: 36,8 Prozent). Kaum verändert hat sich die Quote der Pessimisten, wo es gegenüber dem Vormonat von 21,8 auf 21,9 lediglich einen Tick nach oben ging.

Den gesamten Goldreport als PDF zum Download

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