Goldreport 11/21: Starkes Comeback der Risikoaversion
Im November verzeichnete der Goldpreis eine rasante Berg- und Talfahrt. Mit dem Auftauchen der neuen Corona-Virusvariante Omikron aus dem südlichen Afrika nahm das Interesse am Krisenschutz Gold wieder spürbar zu.
Massive Fluchtbewegung in Gold Futures
Während im globalen ETF-Sektor per Saldo weiterhin Abflüsse das Bild prägen, kam es an den US-Terminmärkten in den vergangenen Wochen zu einer regelrechten Massenflucht in Gold Futures. So hat sich zum Beispiel laut aktuellem „Commitments of Traders“-Report der US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission das allgemeine Interesse an Gold-Futures — ablesbar an der Anzahl offener Kontrakte (Open Interest) — vom 2. bis 23. November von 507.600 auf 612.600 Kontrakte um 20,7 Prozent stark erhöht. Um einiges stärker wiegt allerdings der Umstand, dass die kumulierte Netto-Long-Position (mehrheitlich optimistisch gestimmt) großer und kleiner Terminspekulanten innerhalb dieses Zeitraums von 239.900 auf 287.500 Futures (+19,8 Prozent) angestiegen ist. Diese Gruppe von Marktakteuren wettet aktuell im großen Stil auf einen steigenden Goldpreis.
Robert Hartmann, Mitgründer von pro aurum, merkt diesbezüglich an, dass die Käufer von Gold Futures vor allem kurzfristig orientiert sind. Hinter deren Transaktionen stecken meist Algorithmen trendfolgender Handelssysteme. Unter den ETF-Investoren sei der Anteil mittel- bis langfristig agierender Marktteilnehmer hingegen relativ hoch. Edelmetallprofi Hartmann weist darauf hin, dass sich in diesem Jahr viele von Gold-ETFs verabschiedet haben, um ihr Geld an den Aktienbörsen anzulegen. Er sagt: „Bisher hat sich das ausgezahlt. Aufgrund des aktuell vorherrschenden fundamentalen Umfeldes gehe ich jedoch davon aus, dass viele wieder zum Goldmarkt zurückkehren und ETFs kaufen werden.“
Weltweiter Höhenflug der Inflation
Entgegen den Beschwichtigungsversuchen wichtiger Notenbanken wird das Thema Inflation immer mehr zum „Dauerbrenner“. Im November war ein weltweiter Anstieg der Teuerungsraten zu beobachten. In Deutschland kletterten die Konsumentenpreise mit 4,5 Prozent p. a. (Oktober) auf den höchsten Stand seit 28 Jahren. In den USA beschleunigte sich die Geldentwertung im Oktober sogar auf 6,2 Prozent p. a., den höchsten Wert seit über 30 Jahren. Als besonders starker Preistreiber erwies sich mit einem Plus von 30 Prozent vor allem der Energiesektor und hier insbesondere Benzin (+49,6 Prozent). Um den daraus resultierenden Unmut in der Bevölkerung zu beschwichtigen, hat die US-Regierung mittlerweile sogar das Anzapfen der strategischen Ölreserven angekündigt.
Die Notenbanken gehen indes weiterhin davon aus, dass die hohen Preise ein temporäres Phänomen sein werden. Irgendwie erinnert das aktuelle Marktgeschehen an die Zeit extrem niedriger Inflationsraten. Damals prognostizierten sowohl die EZB als auch die Fed, dass die Teuerungsraten wieder in Richtung ihres Wunschwerts von zwei Prozent ansteigen würden. Den diesjährigen fulminanten Anstieg dies- und jenseits des Atlantiks führten die Notenbanker vor allem auf die coronabedingten Verwerfungen und die globalen Lieferkettenprobleme zurück. Privatanleger sollten dabei aber auf jeden Fall die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass uns die hohe Inflation länger als uns lieb ist erhalten bleibt. Dies sieht der US-amerikanische Gemischtwaren-Discounter Dollar Tree offensichtlich ähnlich. Das Motto „Alles für einen Dollar“ ist nämlich Geschichte. Mittlerweile müssen sich dessen Kunden an neue Preisschilder in Höhe von 1,25 Dollar gewöhnen.
Edelmetallexperte Hartmann wundert sich nicht, dass das Thema Inflation aktuell in aller Munde ist und merkt an, dass sich das historisch hohe Geldmengenwachstum der vergangenen Jahre von der Entwicklung der Gütermengen vollständig abgekoppelt hat. Er sagt: „In praktisch allen früheren Phasen hoher Kaufkraftverluste durch Inflation hieß es: Sachwert schlägt Geldwert. Das wird auch diesmal so sein.“ Außerdem geht Hartmann davon aus, dass die Gewerkschaften alles versuchen werden, in ihren Lohnverhandlungen mit den Arbeitgebern zumindest den Kaufkraftverlust auszugleichen. Das werde eine Lohn-Preis-Spirale in Kraft setzen, die sich nicht so leicht und vor allem nicht so schnell stoppen lasse. Außerdem hätten die Notenbanken wegen der historisch hohen Staatsverschuldung praktisch keine wirksamen Mittel, dieser Entwicklung gegenzusteuern. Edelmetallprofi Hartmann geht deshalb davon aus, dass die Realzinsen auf lange Sicht negativ bleiben werden. Außerdem sagt er: „Im Gegensatz zu Zeiten des Gold-Standards sind heute maximal zehn Prozent der weltweiten Geldmengen durch Gold gedeckt. Diese Gemengelage zwingt eigentlich jeden zu einem Engagement in Edelmetalle im Allgemeinen und Gold im Speziellen.“
Wende in der US-Geldpolitik beschlossen
Der starke Anstieg der Inflation hat sich auch auf die künftige US-Geldpolitik ausgewirkt. Anfang November kündigte nämlich die Fed an, ihre monatlichen Anleihekäufe von bislang 120 Milliarden Dollar um 15 Milliarden zu reduzieren (Tapering). Mitte nächsten Jahres soll diese Unterstützung dann komplett auslaufen und den Weg für die erste Zinserhöhung seit Ende 2018 bereiten. Das FedWatch-Tool des Terminbörsenbetreibers CME Group zeigt derzeit eine Wahrscheinlichkeit von über 66 Prozent an, dass wir im Juni höhere Zinsen als heute sehen werden. Für die für den 4. Mai anberaumte Fed-Sitzung fällt diese mit 37 Prozent deutlich niedriger aus. Damit dürfte die Zinswende vorprogrammiert sein, schließlich schlug US-Präsident Joe Biden den jetzigen Fed-Chef Jerome Powell für eine zweite Amtszeit vor. Spekulationen, dass die deutlich „taubenhaftere“ Demokratin Lael Brainard ihn ablösen könnte, haben sich somit nicht bewahrheitet und dadurch den Goldpreis erheblich ausgebremst.
Robert Hartmann hält diese Reaktion allerdings für überzogen und sagt: „Es ist eigentlich völlig egal, wer den Chefposten bekleidet. Die Fed und andere führende Notenbanken sind schon längst in die Falle getappt und haben kaum mehr wirksame Waffen, um eine dauerhafte Geldentwertung zu vermeiden.“ Würden sie nämlich — wie in der Vergangenheit üblich — die Zinsen wegen der jüngsten Inflationsraten deutlich erhöhen, hätte dies zur Folge, dass einige Staaten angesichts ihrer horrenden Verschuldung bald fällige Kreditzinsen nicht mehr zahlen könnten. Edelmetallexperte Hartmann sagt: „Das wäre dann der Super-GAU — vor allem für die Besitzer von Anleihen dieser Staaten. Nicht wenige davon schlummern bekanntlich in den Bilanzen der Notenbanken, was zu einem enormen Vertrauensverlust in das internationale Finanzsystem führen würde.“
Bei pro aurum ist der Handel von Barren und Münzen weiterhin durch eine sehr ansprechende Auftragslage gekennzeichnet. Bei Kursen über 52.000 Euro pro Kilogramm setzten jedoch markante Gewinnmitnahmen ein. Die Aufgelder sind nach wie vor historisch betrachtet leicht erhöht. Wir versuchen, die Lager für den erfahrungsgemäß umsatzstarken Dezember gut zu füllen.
Drei Fragen an die Privatkunden von pro aurum
Im November haben sich an der Edelmetall-Stimmungsumfrage von pro aurum 2.481 Personen (Oktober: 1.572) beteiligt. Wie im Monat zuvor befindet sich mehr als die Hälfte der Befragten aktuell in Kauflaune. Ihr Anteil zeigte sich mit 52,7 Prozent unverändert. Auch der Anteil abwartender Anleger tendierte im Berichtszeitraum eher seitwärts und nahm von 42,4 auf 42,7 Prozent marginal zu. Eindeutig in der Unterzahl befinden sich weiterhin die Verkäufer. Deren Quote hat sich nämlich gegenüber dem Vormonat von 4,9 auf 4,6 Prozent leicht reduziert.
Bei der Frage nach der Bewertung der aktuellen Edelmetallpreise gab es im November keine sonderlich starken Stimmungsveränderungen zu vermelden. So sehen zum Beispiel derzeit 63,6 Prozent der Befragten eine Unterbewertung (Oktober: 65,5 Prozent). Die Ansicht, dass Edelmetalle mittlerweile fair bewertet seien, vertreten gegenwärtig 24,8 Prozent der Umfrageteilnehmer (September: 23,2 Prozent). Leicht bergauf ging es mit dem Anteil derer, die bei Edelmetallen derzeit eine Überbewertung sehen. Hier ist nämlich ein leichter Anstieg von 11,3 auf 11,6 Prozent registriert worden.
Hinsichtlich der weiteren Preisentwicklung der Edelmetalle im kommenden Quartal haben sich die Meinungen ebenfalls verfestigt. Nachdem im Oktober mit 49,1 Prozent fast die Hälfte der Befragten steigende Edelmetallpreisen prognostiziert hat, rutschte deren Anteil im November auf 47,4 Prozent leicht ab. Einen Seitwärtstrend erwarten nun 40,6 Prozent der Anleger (Vormonat: 41,1 Prozent), während die Quote der Pessimisten gegenüber dem Vormonat von 9,8 Prozent auf 12,0 Prozent angestiegen ist.
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