Indiens Goldhunger unter der Lupe
Der World Gold Council versorgt die Öffentlichkeit regelmäßig mit wichtigen Informationen über den globalen Goldmarkt. Im Rahmen einer 18 Seiten starken Analyse lieferte er kürzlich interessante Daten zur aktuellen Ist-Situation und den Perspektiven des indischen Goldmarkts.
Bedeutung des indischen Goldmarkts
Die globale Goldnachfrage ist extrem heterogen und vielen unterschiedlichen Einflussfaktoren ausgesetzt, die den Goldpreis beleben oder auch belasten können. Welche Determinanten als besonders wichtig gelten, hängt u. a. von der jeweiligen Marktphase ab. Die Entwicklung von Konjunktur, Geldpolitik, Staatshaushalten oder geopolitischen Krisen werden dabei stets mit einer besonders hohen Aufmerksamkeit verfolgt. Außerdem sollten Investoren bei ihren Entscheidungen auch regionale Entwicklungen gebührend berücksichtigen.
Beispiel Indien: Gemessen an der Bevölkerungszahl rangiert Indien weltweit (nach China) auf Rang zwei. Außerdem gilt der Subkontinent bei Gold als zweitwichtigste Nachfragenation der Welt. Diverse Rahmendaten legen den Schluss nahe, dass die Entwicklung dieses Schwellenlands bei der Entwicklung des Goldpreises — insbesondere unter langfristigen Aspekten — eine wichtige Rolle spielen könnte. Denn verglichen mit China profitiert das asiatische Land vor allem von seiner demografischen Struktur. Aktuell beläuft sich nämlich das Durchschnittsalter der indischen Bevölkerung auf lediglich 27 Jahre und auch im nächsten Jahrzehnt soll es unter 35 Jahren liegen. Außerdem rechnet das indische Finanzministerium bei der Zahl der arbeitsfähigen Personen mit einem Anstieg von jeweils sieben Millionen pro Jahr. Der WGC bezeichnet diesen Begleitumstand übrigens als „demografische Dividende“.
Unterscheidung in quantitative und qualitative Einflussfaktoren
Bei der Analyse des indischen Goldmarkts haben die WGC-Analysten zwischen quantitativen und qualitativen Kriterien unterschieden. Bei langfristigem Betrachtungszeitraum stellten sie zum Beispiel folgende quantitative Wechselwirkungen fest:
- Auf jede 1,0-Prozent-Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens der indischen Bevölkerung reagiert die Goldnachfrage mit einem Zuwachs um 0,9 Prozent.
- Mit jedem 1,0-Prozent-Anstieg des in Rupien berechneten Goldpreises sinkt die Goldnachfrage um 0,4 Prozent.
- Importzölle und andere Steuern beeinflussen die Nachfrage, können sich aber in den Marktsegmenten Schmuck bzw. Barren & Münzen unterschiedlich stark auswirken.
Vereinfacht ausgedrückt kann man behaupten, dass die indische Goldnachfrage vor allem auf Einkommens- und weniger auf Goldpreiszuwächse reagiert. So kletterte bspw. Das Nachfrageinteresse von 2000 bis 2010 von 700 auf 1.000 Tonnen (+42,8 Prozent), obwohl sich der Goldpreis während dieses Zeitraums um 137 Prozent verteuert hat. Hierfür verantwortlich war in erster Linie das starke Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens um 77 Prozent.
Daneben registrierte der WGC aber auch Einflussfaktoren, die für den Goldpreis vor allem auf kurze Sicht von Bedeutung waren:
- Mit jedem Inflationszuwachs um 1,0 Prozent stieg die Goldnachfrage um 2,6 Prozent.
- Mit jedem 1,0-Prozent-Rückgang des Goldpreises stellte sich ein Zuwachs der Nachfrage in Höhe von 1,2 Prozent ein.
- Das Erhöhen der Importzölle hat seit 2012 zu einer Abschwächung der Nachfrage um 1,2 Prozent p. a. geführt.
- Selbst den Monsun-Regenfällen wird wegen der damit verbundenen Erntezuwächse der Landbevölkerung ein leichter Einfluss auf die Goldnachfrage konstatiert. Wird nämlich der langjährige durchschnittliche Monsunregen um 1,0 Prozent übertroffen, bewirkt dies ein Nachfrage-Plus von 0,2 Prozent.
Während der indische Schmuckmarkt, der mehr als drei Viertel der landesweiten Goldnachfrage repräsentiert, besonders stark von langfristigen Faktoren beeinflusst wird, reagiert die Nachfrage bei Barren & Münzen eher auf kurzfristige Einflüsse.
Wichtige qualitative Trends und Einflüsse
Die oben bereits erwähnte Bevölkerungsstruktur wird vom WGC als qualitativer Trend eingeordnet. Sollte die indische Wirtschaft in Zukunft stark prosperieren, wäre mit einer dynamisch wachsenden Mittelschicht zu rechnen. Mit steigenden Einkommen dürften die Ersparnisse und damit auch die Goldnachfrage zulegen. Indiens Bevölkerung zeichnet sich nämlich seit Langem durch seine ausgeprägte Vorliebe für Gold aus. Vor religiösen Feiertagen und Hochzeiten herrscht bei den indischen Juwelieren häufig Hochkonjunktur, wobei sich die Landbevölkerung besonders stark für Schmuck interessiert und diesen aufgrund fehlender Anlagealternativen sogar als Geldanlage betrachtet.
Bei der Stadtbevölkerung stehen als Investitionsform hingegen Barren & Münzen in der Gunst ganz oben. Weil die indischen Lebensverhältnisse durch ein enormes Stadt-Land-Gefälle gekennzeichnet sind, dürfte sich die Landflucht (trotz Pandemie) in den kommenden Jahren fortsetzen. Da die Einkommen auf dem Land meist im Agrarsektor erzielt werden und zudem erheblichen Schwankungen unterliegen, könnten die fortschreitende Urbanisierung und die daraus resultierenden Einkommenszuwächse die Goldnachfrage stimulieren. Traditionell weist Indien überdurchschnittliche Sparraten aus. Ein Teil dieses Kapitals dürfte zwar in Aktien bzw. andere Wertpapiere fließen, da ein wachsender Teil der Bevölkerung Konten bzw. Depots eröffnet — aus der Mode dürfte Gold jedoch nicht geraten.
WGC sieht in Indien Licht und Schatten
Hinsichtlich der Perspektiven des indischen Goldmarktes weist der WGC auf pandemiebedingte Unsicherheiten hin, die vor allem die kurzfristigen Perspektiven betreffen. Auf lange Sicht sieht er die indische Goldnachfrage vor einem wichtigen Scheideweg. Getragen von der demografischen Bevölkerungsstruktur, der fortschreitenden Urbanisierung und der Aussicht auf einen wachsenden Wohlstand sei durchaus ein Boom der Goldnachfrage möglich. Dennoch gebe es einige Risikofaktoren zu beachten. So befänden sich zum Beispiel die Sparraten derzeit im Sinkflug, was zu einer tendenziell niedrigeren Goldquote führen könnte. Konkurrierende Anlageklassen könnten die seit Jahrhunderten etablierte Anziehungskraft von Gold abschwächen. Außerdem könnten Entscheidungen der Regierung den offiziellen Goldhandel erschweren und im Gegenzug den intransparenten Schwarz- bzw. Graumarkt beflügeln. Weil im Landwirtschaftssektor weiterhin sinkende Löhne vorherrschen, könnte das Goldinteresse der Landbevölkerung gezwungenermaßen nachlassen. Damit sich der indische Goldmarkt auf lange Sicht positiv entwickele, sei es nach Ansicht des WGC wichtig, den Goldkauf zu erleichtern, die Integrität der Goldbranche zu verbessern und das Ansehen von Gold als vertrauenswürdige Anlageklasse zu stärken.
Für alle, deren Informationsdurst über den Goldhunger Indiens noch nicht gestillt ist, bietet sich das Herunterladen der kompletten Studie auf www.gold.org an. Sie trägt den Titel: „The drivers of Indian gold demand“.
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