Lebensversicherungen durch Niedrigzinsen akut bedroht
Im internationalen Vergleich haben deutsche Anleger den Ruf, relativ risikoscheu zu sein. In den vergangenen Jahrzehnten haben sie viele Milliarden Euro in Versicherungsverträge eingezahlt und dadurch mittlerweile ein Zahlungsversprechen in Billionenhöhe angesammelt. Angesichts des derzeitigen Anlagenotstands sollte diese Strategie kritisch hinterfragt werden.
Allianz-Chef rechnet unter Versicherern mit Pleiten
In einem Handelsblatt-Interview malte Oliver Bäte, der Chef des größten deutschen Versicherungsunternehmens Allianz, im Dezember ein düsteres Bild der Branche. Er gehe davon aus, dass einige Wettbewerber, die nicht gut gewirtschaftet haben, ausscheiden werden und macht für das generelle Problem der Branche auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) verantwortlich. Seit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 hat die EZB die Leitzinsen für die Eurozone von 4,25 auf null Prozent gesenkt. Die milliardenschweren Anleihekäufe der EZB haben zudem die Preise für Staatsanleihen in die Höhe und im Gegenzug die erzielbaren Renditen in den Keller getrieben. Selbst Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 30 Jahren weisen derzeit keine positiven Renditen aus. Dies wirft die folgende Frage auf: Wie soll der Anbieter einer Kapitallebensversicherung oder einer Rentenversicherung Zinsen oder einbezahlte Versicherungsbeiträge garantieren, wenn bereits beim Kauf einer solchen Anleihe feststeht, dass man im Falle einer Tilgung bei Fälligkeit einen Verlust erleiden wird?
In der Vergangenheit war bei Versicherungsverträgen eine Kennzahl von großer Bedeutung: der Garantiezins. Dieser Wert gibt an, welche Verzinsung die Versicherer ihren Kunden maximal garantieren bzw. versprechen dürfen. Vor dem Jahr 2000 gab es Verträge mit einer Garantieverzinsung von vier Prozent, was den Versicherern damals enorme Kapitalzuflüsse beschert hat. Im Jahr 2017 wurde dieser Zinssatz auf den heute noch gültigen Wert von 0,9 Prozent gesenkt. Für Neuverträge droht ab 2022 eine weitere Reduktion. Anfang Dezember hat nämlich die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) eine Senkung des Garantiezinses für Neuverträge auf 0,25 Prozent und eine Abkehr von der 100-Prozent-Beitragsgarantie empfohlen. Normalerweise folgt das Bundesfinanzministerium den Empfehlungen des DAV und der Finanzaufsicht Bafin. Letztgenannte hat bereits im vergangenen Sommer Lebensversicherern empfohlen, freiwillig weniger als 0,9 Prozent für Neuverträge zu garantieren. Nur weil Unternehmen 0,9 Prozent garantieren dürfen, heißt dies natürlich nicht, dass sie es müssen. Da in den kommenden Jahren keine nennenswerten Zinserhöhungen zu erwarten sind, droht einigen Anbietern — auch aufgrund hoher Verwaltungskosten — erhebliches Ungemach.
Bafin behält die Branche im Blick
Für die Überlebensfähigkeit von Versicherungen ist es von entscheidender Bedeutung, dass sie ihr durch den Garantiezins abgegebenes Versprechen auch in Zukunft einhalten können. Da viele Unternehmen bei neu abgeschlossenen Verträgen bereits deutlich weniger als 0,9 Prozent garantieren oder völlig darauf verzichten, werden diese kaum noch nachgefragt und bereiten somit erheblich weniger Sorgen. Ein deutlich größeres Problem stellen für die Branche hingegen Altverträge mit hohen Garantiezinsen dar. Wer heutzutage an den Kapitalmärkten positive Renditen erzielen möchte, muss gewisse Risiken eingehen. Bereits heute sind viele Versicherer nicht in der Lage, die versprochenen Garantiezinsen durch Finanzanlagen zu erwirtschaften, und sind deshalb gezwungen, hierfür andere Ertragsquellen zu verwenden. Aufgrund der angespannten Marktlage befinden sich zahlreiche Versicherungen unter verstärkter Beobachtung durch die Bafin. In Abhängigkeit von den jeweiligen Finanzkennzahlen werden diese dann in verschiedene Risikoklassen eingeteilt. Dann bestehen zusätzliche Berichtspflichten und es müssen Pläne zur Verbesserung der Lage erarbeitet werden. Die Ziele lauten: Verwaltungskosten senken, Eigenmittel stärken und freiwillige Überschussbeteiligung reduzieren.
Damoklesschwert Inflation
Aufgrund niedriger Renditen leidet der ehemalige „Altersvorsorge-Klassiker“ Lebensversicherung bei dieser Form der Kapitalanlage vor allem unter den sinkenden Renditen. Noch unattraktiver würden Lebensversicherungen allerdings werden, falls sich die Inflation — oder besser ausgedrückt: die Geldentwertung — beschleunigen sollte. Allein seit Anfang 2020 rutschte die jährliche Teuerungsrate von plus 1,7 auf minus 0,3 Prozent ab. Nur zur Erinnerung: In den 70er-, 80er- und 90er-Jahren wurden bei der Inflation zeitweise Werte von über fünf Prozent gemessen. Die EZB macht seit Jahren keinen Hehl daraus, eine Inflationsrate von zwei Prozent anzustreben. Dies hätte den angenehmen Nebeneffekt, dass die Schuldenberge dadurch automatisch entwertet würden.
Inflation nutzt vor allem Schuldnern und schadet Gläubigern bzw. Sparern, schließlich schrumpft durch die Geldentwertung der reale Wert von Forderungen bzw. Kapital. Und sollte zum Beispiel die Teuerung — aus welchen Gründen auch immer — deutlich über zwei Prozent ansteigen, wäre bei Bank- und Versicherungsguthaben die Vermögensvernichtung besonders drastisch. Während nämlich bei Aktien, Immobilien oder Sachwerten wie Edelmetallen Dividenden, Mieteinnahmen bzw. Wertsteigerungen den Inflationsnachteil ausgleichen können, sind Kapitallebensversicherungen dem Inflationsrisiko praktisch ungeschützt ausgesetzt.
Dem Anlagenotstand mit Diversifikation begegnen
Derzeit erleben wir das größte geldpolitische Experiment der Menschheitsgeschichte. Angesichts der Tatsache, dass die Geldmengen im vergangenen Jahr mit rekordhoher Geschwindigkeit neue Allzeithochs markiert haben, sollte man das bis dato angesammelte Vermögen unbedingt diversifizieren und auf keinen Fall alles „auf eine Karte setzen“. Der Umstand, dass der Kapitalbesitz derzeit keine angemessenen Renditen abwirft und Fremdkapital zu historisch niedrigen Zinsen erhältlich ist, wirft zweifellos kein gutes Licht auf die gegenwärtige Wertschätzung bzw. die nachhaltige Werthaltigkeit von ungedeckten Fiat-Währungen wie dem Euro.
Grundsätzlich hat dennoch jede Anlageklasse ihre Daseinsberichtigung, verfügt allerdings über ein unterschiedliches Chance-/Risiko-Profil. Anleger sollten deshalb stets darauf bedacht sein, Klumpenrisiken zu vermeiden. Bei einem langfristigen Anlagehorizont über Jahrzehnte oder gar Generationen sollte man stets im Hinterkopf behalten, dass Geld in erster Linie auf dem Vertrauen basiert, es jederzeit in Waren und Dienstleistungen umtauschen zu können. Wer Gold besitzt, vertraut vor allem darauf, es bei Bedarf nahezu überall auf der Welt in die jeweilige Landeswährung eintauschen zu können. Ob diese Währung noch Euro, Dollar oder möglicherweise anders heißt, ist völlig egal.
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